PRECUNEUS UND GEDÄCHTNIS
Damit dieser Artikel verständlich ist, werden die Worte unseres Meisters Thích Thông Triệt in blau, die Forschungsergebnisse der Wissenschaftler in braun und die Kommentare des Autors in schwarzer Kursivschrift geschrieben.
Bei jedem neuen Erlebnis wird unser Gehirn vor eine schwierige Aufgabe gestellt: Es muss flexibel genug sein, um neue Informationen in kurzer Zeit aufnehmen zu können, aber auch stabil genug, um sie für lange Zeit zu speichern. Außerdem sollten neue Gedächtnisinhalte alte nicht überschreiben oder verändern. Das Gehirn löst diese Aufgabe, indem es Gedächtnisinhalte in zwei separaten Speichern ablegt: im Hippocampus, einem plastischen Kurzzeitspeicher mit großer Kapazität und schneller Aufnahmefähigkeit, und in einem Teil der Großhirnrinde, dem sogenannten Neokortex. Frühere Beweise deuten darauf hin, dass viele Lernwiederholungen nach der anfänglichen Kodierung in hippocampale Schaltkreise als notwendig erachtet werden, damit sich das Gedächtnis in einem langlebigen neokortikalen Speicher etabliert. Die Interaktion zwischen diesen beiden Systemen (dem schnell lernenden Hippocampus und dem langsam lernenden Neocortex) wurde traditionell als sehr langsam angesehen und dauerte Wochen oder Monate, um eine neokortikale Gedächtnisspur aufzubauen. Dieser nimmt zwar Informationen langsamer auf, schützt sie aber dafür dauerhaft und ohne Überschreibung anderer Inhalte (1). Welche Rolle dagegen der Neokortex für das Gedächtnis spielt und wie diese beiden Regionen miteinander interagieren, war weitgehend unbekannt. Im Jahr 2016 haben Forscher vom Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Universität Tübingen nun gemeinsam mit Münchner Wissenschaftlern erforscht, wie diese beiden Systeme beim Lernen zusammenarbeiten (2).
In ihrer neuen Studie versetzte das Forscherteam Probanden am Bildschirm in ein virtuelles Labyrinth, in dem diese versteckte Gegenstände finden mussten. Je länger sich die Versuchspersonen durch das Labyrinth bewegten, desto besser lernten sie seinen Aufbau und die Positionen der Gegenstände kennen. Während die Studienteilnehmer diese räumliche Lernaufgabe durchführten, wurde ihre Hirnaktivität mittels Magnetresonanztomografie aufgezeichnet.
Um die Hirnareale für das räumliche Gedächtnis zu identifizieren, bedienten sich die Forscher eines Tricks: In einem Teil des Experiments war das Labyrinth unveränderlich, dadurch konnten die Teilnehmer nach und nach eine räumliche Repräsentation im Gedächtnis aufbauen. In einem zweiten Teil veränderte sich das Labyrinth ständig, sodass die Probanden nichts wiedererkennen oder lernen konnten. Der Vergleich der Tomografiebilder aus diesen beiden Labyrinthen offenbart, welche Hirnregionen zur Bildung des räumlichen Gedächtnisses beitragen. Das Ergebnis zeigt, dass die Aktivität des Precuneus, einer Region im hinteren Neokortex, mit dem Lernen kontinuierlich anstieg, wohingegen die Aktivität im Hippocampus kontinuierlich abfiel. Auch die Kommunikation zwischen beiden Regionen habe im Laufe des Lernens immer weiter abgenommen.
Das Ergebnis deutet darauf hin,
-dass sich die langfristigen, neokortikalen Gedächtnisspuren bereits beim ersten Eintreffen neuer Informationen ausbilden.
-dass der Hippocampus schon nach so kurzer Zeit nicht mehr am Lernen beteiligt ist.
Die Zahl der Lernwiederholungen haben offenbar einen entscheidenden Einfluss darauf, wie schnell sich ein langfristiges und stabiles Gedächtnis im Neokortex ausbildet.
Diese Studie zeigt: «Sobald neue Informationen vorliegen, bilden sich im Neokortex (im Precuneus) eine eigenständige Langzeitgedächtnisspuren aus».
Als die Teilnehmer also die Veränderung des Labyrinths betrachteten, traten die visuellen Informationen in den visuellen Cortex ein und von dort in die Precuneus-Region, anfangs gelangten die Informationen auch in den Hippocampus, aber aufgrund der zunehmenden Vertrautheit mit den Informationen, ist das «sich an die Fakten zu erinnern» immer weniger nötig, daher gelangen die visuellen Information später immer mehr in den Precuneus und immer weniger in den Hippocampus.
Eine Studie zur mentalen Navigationsaufgaben zeigte, dass der Hippocampus erst aktiviert wurde, wenn die Studienteilnehmer gerade in eine neue Stadt ankammen, aber nicht, wenn sie ein Jahr dort gelebt haben, es zeigte dann eine Aktivierung im posterioren parahippocampalen Kortex, im Precuneus und nicht im Hippocampus (3). Das bedeutet, in Studien, in denen die erlernten Informationen durch wiederholte Wiederholung vertraut sind und es keine Anstrengung mehr gibt, sich an diese Informationen zu erinnern, werden neokortikale Bereiche wie der hintere Parietalkortex (Parietalkortex mit der Region Precuneus) aktiviert. Und das sind die Voraussetzungen für die Bildung der kognitiven Erkenntnissen, wie uns Nonne Triet Nhu in den Kursen beigebracht hat (Abb.1).
Abb. 1
Seit 2006 arbeiten die Forscher Dr. Erb und Ranganatha Sitaram, Abteilung für Biomedizinische Magnetresonanz an der Universität Tübingen, mit Meister Thich Thong Triet viele aufeinanderfolgende Jahre, um sein Gehirn während der Meditation in einem MRT-Scanner zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen Aktivierung von der Precuneus-Region, wenn ein tiefer Meditationszustand eintritt. Im Juli 2011 sagte er während des Kurses «buddhistische Psychologie» über die Bedeutung dieser Precuneus-Region, zum Beispiel: «Der Precuneus-Bereich gilt als episodischer Gedächtnisbereich» oder «Precuneus ist der spirituelle Schaltungsknoten (relay station), der vierte Schaltungsknoten, der Ort, an dem Spiritualität herauskommt und in allem die Initiative ergreift». Ich erinnere mich an die Zeit, als Meister seine Absicht erklärte, ein einjähriges Retreat (2012) zu machen, um innerlich selbst über diese Precuneus-Region zu erfahren. Während des Kurses in Deutschland im Juni 2013 hörte ich die Behauptung von ihm: Tatha-Geist ist gleichbedeutend mit der Precuneus-Region. Dies ist eine Aussage, die der Wissenschaft voraus ist und eine Entdeckung des Meisters während seines Retreats im Jahr 2012 gewesen sein muss.
Ebenfalls im September 2013 gab er Dokumentskript über Technik und Funktion des Verweilens im Tatha-Geist bekannt, in dem er dies klar feststellte (Abb.2a und 2b):
Abb. 2b
Die Technik, um im Tatha-Geist verweilen zu können, basiert also auf der kontinuierlichen Aktivierung von Precuneus, wie der Meister erklärte: Speichern «Nicht Sprechen» («N Spr») im Precuneus-Bereich ausreichend, damit wir später nur noch die beiden Wörter «Nicht Sprechen» hervorrufen müssen, um sofort in Samadhi eintreten zu können.
Und hier verstehe ich «Nicht Sprechen» als die Information über das durch die Übung der Meditationsmethode «Nicht Sprechen» gewonnene Wissen. Diese erlernte Information sollte durch ständige, entspannte Wiederholung von «Nicht Sprechen» im Gehirn (als kognitive Erkenntnis) vertraut werden, diese Information dieses Wissens wird dann in den Precuneus-Bereich eintreten und dort einprägend gespeichert , damit wir später nur noch die beiden Wörter «Nicht Sprechen» hervorrufen müssen, um sofort in Samadhi eintreten zu können. Natürlich mit anderen Meditationsmethoden, wie z. B. Atmungsmeditation... wird die ständige Wiederholung der Übung auch genauso notwendig.
Ich beginne auch allmählich seine Ideen zu verstehen, obwohl es zu spät ist, weil er nicht mehr lebt. Dank der Studien, die sein Gehirn während der Meditation mit einem MRI-Gerät scannten, erkannte er die Verbindung zwischen dem Tatha-Geist und dem Precuneus, und dann verbrachte er bis zu seinem Lebensende all seine Zeit und Mühe damit, die auf «Nicht Sprechen» basierende Meditationsmethode, dieser Erkenntnis entsprechend, zu perfektionieren.
Im Dokumentskript über Technik und Funktion des Verweilens im Tatha-Geist erklärte er ebenfalls auch die Technik, wie man die Meditationsmethode des Nicht-Sprechens anwendet, um im Tathà-Geist verweilen zu können.
Abb. 3
Abb. 4
Sehen wir uns Schritt 1, Phase 1, noch einmal an (Abb.3): Wenn wir zwei Worte «Nicht-Sprechen» nur für uns leise summen und dabei zuhören, um die Natur des Hörens zu stimulieren, wird gemäß dem Diagramm (Abb. 4), laut Meister, das Signal aus dem Bereich «Natur des Hörens» direkt in die Precuneus-Region gehen (dies wurde später im Jahr 2016 von Wissenschaftlern (Svenja Brodt et al.) bei der Untersuchung der räumlichen Gedächtnisbildung festgestellt), in diesem Diagramm (Abb. 4) erwähnte er über die Rolle von Hippocampus nicht.
Abb. 5
Somit wird dieses Signal der Kenntnis von «N Spr» aus der ersten Stufe direkt in die Precuneus-Region gespeichert.
Ich erinnere mich noch, als ich im Juni 2013 während des Meditationskurses in Deutschland das Diagramm an der Tafel sah, dachte ich kurz, wie können diese Signale der Kenntnis von «N Spr» direkt in Precuneus gehen, ohne durch den Hippocampus zu gehen (Abb.5)? Erst später wurde mir klar, dass, wenn wir üben «N Spr» und dabei versuchen, uns mit Bemühung zu erinnern, werden die N Spr-Signale in den Hippocampus gelangen, aber nicht in die Precuneus-Region! Es könnte sein, dass der Meister den Schlüsselpunkt bei der Geschichte erkannte, dass Buddha als Kind während des Erntedankfests die Signale der Kenntnis von der Atmung bewahrte, als er atmete im kühlen Schatten eines Rosenapfelbaumes saß (4)? Und wenn wir es im Bereich von Precuneus (oder im Bereich von «Natur der kognitiven Erkenntnis») speichern möchten, muss diese Speicherung «ohne dabei nachzudenken», ganz natürlich, in «ganz abgeschieden von den Sinnenfreuden» (5), ohne Anstrengung oder Erwartung darin, stattfinden. In diesem Schritt ist es nur notwendig zuzuhören (mit der Natur des Hörens), damit dieses «N Spr»-Signal auf natürliche Weise im Precuneus-Bereich gespeichert wird, ohne dass wir versuchen, es speichern zu müssen. Meiner eigenen Erfahrung nach, wenn wir «N Spr» ganz natürlich und ohne nachzudenken hören, «N Spr» mit ganzem Herzen hören, wird diese Übungspraxis einfach und leicht, sanft, aber dennoch effektiv sein. Zuhören ist hier jedoch kein «unwissendes» Zuhören (unachtsames Zuhören) («N Spr» nicht wie ein Papagei unachtsam summen und hören), hinter diesem Schritt steht ein ganzer Prozess des Aufbaus von Wissen über die Natur des Hörens, um daraus Erkenntnis zu bilden.
Schritt 2 und Schritt 3, Phase 1 (Abb. 6 und 7), gemäß dem Diagramm (Abb. 8 und 9) geht das Signal aus dem Bereich «Natur des Berührens» oder «Natur des Sehens» direkt zum Precuneus-Bereich, in diesen Diagrammen erwähnt er auch nichts über die Rolle von Hippocampus.
Das Ergebnis der ersten Stufe ist die Isolierung des Netzwerks von Wahrnehmung (beinhaltet Netzwerk von verbalen, nonverbalen Eindrücken, Ideen, Assoziationen). Wenn diese Schritte erfolgreich abgeschlossen sind, wird es die von Gedankenfassen und Diskursiven freie Meditationsstufe (avitakka avicāra samādhi) geben. Der Zweck dieser Phase 1 ist es, Befehle an das Gehirn zu geben, um sie im Bereich der Natur der Erkenntnisse (Precuneus) zu speichern, damit sie im zweiten Jhāna nur noch evoziert werden.
(Abb. 10)
(Abb. 10) Diagramm der Nonne Triệt Như
Der Schlüssel, um im Tathagata-Geist zu bleiben, ist also ein solides nonverbales Gewahrsein, das durch die Wiederholung eines Themas im Precuneus gehalten wird. In der oben genannten Studie von Wissenschaftlern (Svenja Brodt et al.) ist der Lerninhalt ein sinnlich anschauliches Thema: «Räumliches Lernen des Labyrinths“, deswegen wird die Anzahl der Wiederholungen nicht sehr viel benötigt. Aber hier ist das Wissen von «N Spr» (und nicht das Wort «N Spr» als das Thema ist, wie ich fälschlicherweise in der Vergangenheit gedacht habe) ein abstraktes Thema, wie es zu einer klaren Realität im Geist werden lässt, dann aus diesem Wissen von «N Spr» lässt sich zum Gewahrsein von «N Spr» entwickeln, deswegen ist eine längere kontinuierliche Wiederholung natürlich sehr notwendig.
Ein gezündetes Räucherstäbchen zu Ehren von Thầy.
Minh Tuyền
November 2023
_______________________________________
2 Svenja Brodt, Dorothee Pöhlchen, Virginia L. Flanagin, Stefan Glasauer, Steffen Gais, and Monika Schönauer: Rapid and independent memory formation in the parietal cortex. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), DOI 10.1073/pnas.1605719113.
3 Hirshhorn M, Grady C, Rosenbaum RS, Winocur G, Moscovitch M. The hippocampus is involved in mental navigation for a recently learned, but not a highly familiar environment: A longitudinal fMRI study. Hippocampus. 2012;22(4):842–852.
4 Majjhima Nikāya, Bodhirājakumāra Sutta, 85. An Prinz Bodhi.
5 Aṅguttara Nikāya, Das Vierer-Buch, 4.41. Wie man Versenkung weiterentwickelt