NUR MIT EINEM GANG
Damals hat unser Zen-Meister oft gesagt, dass unser Kultivierungsweg ist, wie „ein Wagen, der mit einem Gang fährt“. Der Wagen symbolisiert das Mittel. Der Gang symbolisiert das Bewusstsein. Nur mit einem Bewusstsein können wir unser Ziel erreichen. Mit unserem Ziel meint der Meister nicht die Erleuchtung oder die Leidensbefreiung sondern nur ein harmonisches Leben mit dem Universum.
Er sagte, dass die meisten von uns noch Laien sind. Wie können wir denn erreichen, dem Leiden vollständig zu entkommen oder uns zu befreien oder erleuchtet zu werden? Es ist schon zufriedenstellend, wenn wir mit allen harmonisch leben können. Eine Harmonie im eigenen Geist zu erreichen, das ist das Schwierigste. Sie erfordert einen langjährigen Lern- und Übungsprozess. Dieser Prozess ist ein unverzichtbares Fundament. Unsere Gesundheit wird sich dann verbessern, da eine Harmonie im Geist zu einer Harmonie im Körper führt.
Mit einem gesunden Körper und Geist hat man eine sanfte Stimme und eine nette Gestik. In der Familie können Eltern, Ehepartner, Kinder und Enkelkinder friedlich und glücklich zusammenleben. Diese harmonische Lebensweise breitet sich dann nach und nach auf nahe und ferne Verwandte, Freunde, Nachbarn und auf die Sozialgesellschaft aus. Das Mitgefühl und diese Lebensweisheit entwickeln sich dann größer und größer und wirken sich auf andere Lebewesen und Pflanzen in der Welt aus. So führt eine Harmonie im eigenen Geist zur Integration eines harmonischen Rhythmus der ganzen Welt. Was könnte denn noch schöner sein? Ist es doch nicht „die Befreiung“ oder „die Erleuchtung“?
Aber wie können wir unseren Geist harmonisieren? Das ist unser Kultivierungsweg. So wollte unser Zen-Meister uns darauf hinweisen, mit einem Wagen, der nur einen Gang hat, zu fahren. Außerdem sollen wir noch auf folgende Regeln achten:
- Kein Wechsel des Wagens
- Kein Wechsel des Zielweges
- Kein Wechsel der Fahrspur.
- Und kein Wechsel des Fahrttempos.
Allgemein heißt es, dass, wenn wir einen Kultivierungsweg mit einer Begeisterung gefunden haben, dann sollen wir diese Begeisterung beibehalten. Wenn wir uns für eine Kultivierungsmethode entschieden haben, sollen wir auch bei dieser bleiben. Wir sollen nicht gierig sein, sie mit zwei oder drei verschiedenen Methoden zu kombinieren, um schneller am Ziel anzukommen. Unser Geist muss ständig stark bleiben. Er darf nicht mal enthusiastisch, mal antriebslos, mal müßig, mal vernachlässigt sein.
Nun reden wir über den wichtigsten Bestandteil der Praxis: die Achtsamkeit (P. Sati, S. Sṁrti).
Im Sutra in Pali schreibt man es Sati, in Sanskrit schreibt man es Sṁrti. In Vietnamesisch wird es Niệm (die Achtsamkeit) oder Chánh Niệm (Rechte Achtsamkeit) übersetzt. Achtsamkeit hat viele Bedeutungen. Bei der Erinnerung oder bei dem Denken spielt die Subjektivität eine große Rolle und wenn die Subjektivität im Spiel ist, führt es oft zu Emotionen wie Traurigkeit oder Glück. Bei einer objektiven Wahrnehmung, also ohne Beurteilung oder Bewertung, bleibt der Geist oft ruhig, klar und gelassen.
Warum nehmen wir eine Sache oft subjektiv wahr? In unserem Kopf gibt es eine Voreingenommenheit: mögen oder nicht mögen. Wenn es uns passt, werden wir froh und glücklich sein, passt es uns nicht, werden wir traurig und frustriert sein. All diese subjektiven Eigenschaften, wie die Vorliebe oder die Ablehnung, werden im Buddhismus als Befleckung oder festsetzende Gewohnheit bezeichnet. Es gibt außerdem noch Fesseln und Schläfrigkeit. Man kann sagen, dass sie die „Täter“ unseres Leidensmeeres sind.
Wer sind diese „Täter“?
Der Buddha erkannte, während er das dreifache Gewahrsein {Trividyā (S); Te-vijja (P)}
erreicht hatte, dass die Ursache der Wiedergeburt, des Leidensmeeres die Triebe {(Asava (p)—Asrava (skt)} sind und er hat sie vorläufig in 4 folgenden Kategorien aufgeteilt:
- Die Unwissenheit [Avidyāsrava (S)]: mangelnde Erkenntnis übers Buddhas Lehrreden führt zu falschen Kultivierungsübungen. Keine Befreiung, keine Erleuchtung.
- Die Verblendung [S: kāmāsrava; P: kāmāsava]: Gier nach Reichtum, Schönheit, Macht, Lebensgenüsse, Faulheit.
- Die Anhaftung [Bhavāsrava (S), Bhavāsava (P)]: Wünschen nach Unsterblichkeit. Angst vor dem Tod.
- Falsche Wahrnehmung Drishti (S): Alle Phänomene werden als real wahrgenommen.
Die Gewohnheiten: Alle Gewohnheiten, die wir lieben oder hassen, sammeln sich in unserem Geist an und bilden nach langer Zeit tiefe Prägungen in ihm. Diese tiefen Eindrücke werden ins nächste Leben mitgenommen und sie entwickeln sich dann weiter.
Die Fesseln: Die fesselnden Vorlieben, die aus früheren Leben, manchmal sogar aus diesem Leben, sitzen tief in unserem Geist. Allgemein sind sie ähnlich wie die Gewohnheiten: Gier, Verblendung, Anhaftung, Arroganz, Verzweiflung, Illusion, Ego, falsche Einsicht, Besessenheit.
Die Schläfrigkeit: Die verborgenen Tendenzen des Geistes mögen uns vielleicht unbekannt sein, aber sie beeinflussen uns dennoch sehr stark wie Gier, Verblendung, Anhaftung, Arroganz, Verzweiflung …
Wo kommen diese „Täter“ her ?
Sie kommen nicht etwa von außerhalb her. Sie sind die Illusionen, die unser Geist geschaffen hat. Wir denken, so ist es gut für uns und für die anderen. In Wirklichkeit dient es aber nur unserem eigenen Ego. Es entspricht nicht den objektiven Wahrheiten der Natur und des Lebens. Weil uns die rechte Einsicht [(samyak-dṛṣṭi / sammā-diṭṭhi)] fehlt, können wir nicht zwischen Wahrheit und Fiktion unterscheiden und falsche Gedanken führen zu den falschen Worten und falschen Handlungen. Der „Täter“ sind wir selbst: falsche Einsicht, fehlende kognitive Erkenntnis.
Das Mittel, mit dem wir diese geistige Verschmutzung reinigen können, ist die Weisheit. Die Weisheit die reine Essenz des Geistes ist.
Wie kommen wir in den Naturgeist zurück?
- Da wir wissen, dass alles vergänglich ist, klammern wir uns an nichts mehr fest. Wir reduzieren unsere Freude und unsere Traurigkeit. (Anupassana-Technik)
- Wir wissen, dass die Gefühle abhängig von den Ursachen und Bedingungen des Phänomens sind. Das heißt, sie verändern sich andauernd. So hängen wir nicht mehr zu sehr an den Gefühlen fest, die uns zur Wiedergeburt hinführen. (Pariksa-Technik)
- Wir nehmen das Objekt wahr, so wie es wirklich ist. Wir betrachten, was gerade ist, objektiv, wahrhaftig und ohne Bewertung. (Vipassanā-Technik)
- Wir erkennen das Objekt wortlos. Wir benennen seinen Namen nicht, wir etikettieren es nicht. (Samatha: ruhiger Geist). Diese Übungstechnik führt uns mit der Zeit zu einem Gewahrsein (Samādhi: tiefe Versenkung)
- Wir beobachten unseren Geist regelmäßig und erkennen, dass er still, leer und rein ist. [Vier Grundlagen der Achtsamkeit. Smṛti-upasṭhāna (S), Satipaṭṭhāna (P)]. Es gibt keine bösen oder unheilsamen Triebe in ihm. (Gebote)
Zum Abschluss: Der Wagen „mit einem Gang“ ist die wortlose Achtsamkeit (Sati), die uns vom Anfang bis zum Ende des Kultivierungsweges begleitet. In Wirklichkeit gibt es aber keinen Weg, der uns zur Erleuchtung bringt. Denn dieses wortlose Bewusstsein gehört uns von der Geburt an. Es war und ist rein, ruhig, klar und objektiv.
Liebe Freunde, hole dieses wortlose Bewusstsein von Innen heraus. Suche es nirgendwo draußen.
Sunyata Zentrum, den 02- 04- 2024
TN
Link zum vietnamesischen Artikel: https://tanhkhong.org/p105a4126/triet-nhu-tieng-hat-giua-troi-bai-49-xe-mot-so