EIN BERICHT AN DEN MEISTER
Vor etwa zwei Jahren habe ich in der Reihe „Die Quelle des Glücks“ bereits einen Artikel mit dem Titel „Der Wald des Dharma“ zu diesem Thema geschrieben. In einigen Kursen, die ich seitdem gegeben habe, habe ich auch oft über die Bedeutungen des Dharma und die Verbindung zwischen ihnen gelehrt. Gestern, in einem Bodhgaya in Südkalifornien, habe ich dieses Thema auch kurz vorgestellt und mit dem Satz geendet, dass dies ein Weg ist, der uns nach Hause führt, der Weg der Weisheit. Aber heute Morgen habe ich das Gefühl, dass ich gestern nicht genug zu diesem Thema gesagt habe, und so beschließe ich, noch einmal darüber zu schreiben.
Dharma (Sanskrit) oder Dhamma (Pāli) hat je nach Übersetzung unterschiedliche Bedeutung. Daher tendiert man heute dazu, das ursprüngliche Sanskritwort Dharma zu verwenden, anstatt es zu übersetzen. Dasselbe gilt für die: Samatha, Samādhi, Anupassanā, Vipassanā, Karma, Nibbāna usw…
Dharma hat aus meiner Sicht 3 Bedeutungen:
1- Wahrheiten.
2- Buddhas Lehre.
3- Phänomene.
Nun wollen wir diese Bedeutungen genauer untersuchen.
I - Wahrheiten:
- Wahrheiten, die unveränderlich und für alle gültig sind.
- Absolute Neutralität: diese Wahrheiten sind von Natur aus da. Sie wurden von Niemandem erschaffen und können von niemandem beeinflusst werden.
- Zeitraum: Es gibt keinen Anfang und kein Ende für diese Wahrheiten.
- Gleichheit und Popularität: diese Wahrheiten gelten für alle Phänomene, Lebewesen und Pflanzen. All diese Phänomene wurden geboren, sind gewachsen, altern und werden sterben.
- Diese Wahrheiten wurden vom Buddha erkannt und ohne Verzerrung an uns weiter gegeben.
Es gibt zwei Sorten von diesen Wahrheiten:
+ Absolute Wahrheiten (Paramattha Sacca) und
+ Vereinbarte Wahrheiten (Sammutti Sacca)
1- Vereinbarte Wahrheiten sind:
Drei Daseinsmerkmale {Trilaksana (skt)—Tilakkhana (p)}: Vergänglichkeit [{Anicca (p)} Leid: {Dukkha (p)}Nicht Selbst: {Anatta (p)}
Bedingtes Entstehen {Pratityasamutpada (S)}oder Konditionalität (Idapaccayatā)
2- Absolute Wahrheiten sind:
- Die Leere
- Die Illusion
- Die Soheit
- Der Gleichmut
- Das Nirwana
Die Vereinbarten Wahrheiten werden weiter in konventionelle und ultimative Wahrheiten unterteilt. Worin besteht der Unterschied?
Konventionelle Wahrheiten sind Wahrheiten, die von Menschen geschaffen wurden, um das Zusammenleben oder die Ordnung in der Gemeinschaft herzustellen. Zum Beispiel: Gesetze, Verkehrsregeln, religiöse Rituale, Anredeformen, Feierzeremonien usw. Sie sind oft persönlich und subjektiv.
Konventionelle Wahrheiten werden in Form von Lauten, Schriften, Namen, Symbolen, Farben, Gesten oder Handlungen usw. zum Ausdruck gebracht.
Da sie von Menschen geschaffen sind, ändern sich alle diese Wahrheiten je nach Gemeinschaft oder im Laufe der Zeit. Am Anfang sind sie notwendig für das soziale Leben. Nach und nach hängen die Menschen zu sehr an dem Ruf, an der Macht. Sie missbrauchen dann Wort und Schrift oder die Entwicklung der Technik, um sich Vorteile zu verschaffen, was zu Konflikten, Kriegen und Leid führt.
Die ultimativen Wahrheiten können wie die konventionellen Wahrheiten mit den sechs Sinnesorganen wahrgenommen werden. Allerdings ist man sich bewusst, dass sie sich in jedem Augenblick verändern und nicht von Dauer sind.
Drei Daseinsmerkmale sind:
- Vergänglichkeit {Anicca (p)}
- Leid {Dukkha (p)}
- Nicht-Selbst {Anatta (p)}
Vier Daseinsmerkmale sind:
- Vergänglichkeit {Anicca (p)}
- Leid {Dukkha (p)}
- Leerheit {(suññatā (p), (shunyata St.)}
- Nicht-Selbst {Anatta (p)}
Die ultimativen Wahrheiten sind:
Vergänglichkeit: Um uns herum existieren weltliche Phänomene (Menschen, Pflanzen, Gegenstände, Universum ....) Durch die 6 Sinnesorgane: Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper, Geist können wir sie wahrnehmen und glauben, dass sie real sind, dass sie uns beeinflussen können, dass sie uns glücklich oder traurig machen können. Wenn wir sie genauer betrachten, stellen wir fest, dass sie sich ständig verändern, ihre Form, ihre Farbe, ihr Klang und so weiter. Nichts ist konstant, nichts steht still. Vom Körper bis zum Geist, vom Willen bis zu den Gefühlen. Im Allgemeinen kann man sagen, dass alles existiert, aber vergänglich ist. Die Vergänglichkeit ist ein völlig neutrales, universelles, gleiches, konstantes und unveränderliches Gesetz.
Die Erkenntnis über Vergänglichkeit ist ein Mittelweg {Mādhyamā-pradipadā (S), Majjhimāpaṭipadā (P)}: Da diese Welt real existiert (Wir können nicht sagen, dass sie nicht existiert). Aber sie ist vergänglich (Deshalb können wir auch nicht sagen, dass sie existiert). Daher gehört die Vergänglichkeit zu der ultimativen Wahrheit.
Leid {Dukkha (p)} ist die erste Wahrheit in der Kette der Vier Edlen Wahrheiten
In unserem Leben haben wir so viel Unzufriedenheit und Leid erfahren: von körperlichen Krankheiten bis hin zu seelischen Störungen. Eigene Sorgen, die Sorgen anderer, Naturkatastrophen, Kriege usw. Aber es gibt auch Menschen, die sehr erfolgreich sind, die glücklich sind mit ihrem Wohlstand. Sie kennen noch kein Leid. Weil sie noch nicht erwacht sind, erkennen sie die Vergänglichkeit nicht. Sie wissen nicht, dass ihr Reichtum, ihre Macht dem Gesetz der Vergänglichkeit unterliegt.
Die Wahrnehmung, dass die Welt existiert, ist eine vereinbarte Wahrheit.
Die Erkenntnis, dass die Welt ein Meer des Leidens ist, ist eine „ultimative“ Wahrheit.
Das NICHT im Buddhismus ist keine Verneinung wie kein ICH oder kein MEIN. Sondern das NICHT hier bedeutet keine dauerhafte Existenz. Da das ICH vergänglich ist, ist auch das MEIN vergänglich.
Die Existenz von ICH ist eine Wahrnehmung durch die 6 weltlichen Sinnesorgane.
MEIN ist ebenfalls eine Wahrnehmung durch die 6 weltlichen Sinnesorgane.
Die Erkenntnis, dass ICH und MEIN vergänglich sind, ist eine Weisheit. {Jnàna;Prajnà}
Daher wurde das NICHT in den Vier Edlen Wahrheiten als eine „vereinbarte“ Weisheit betrachtet.
Nicht-Selbst (S: anātman; P: anattā) Buddha lehrte, dass das menschliche Dasein aus den folgenden fünf Ursachen besteht:
- Die Form/ das Material
- Die Gefühle
- Die Wahrnehmung
- Die Geistesformationen
- Und das Bewusstsein
Diese 5 Ursachen sind durch bedingtes Entstehen (Hetupratyaya (S)) entstanden. Daher sind sie unbeständig. Sie ändern sich je nach Bedingung. Sie sind vergänglich. Sie sind Nicht-Selbst (S: anātman; P: anattā). Deshalb ist ein Mensch Nicht-Selbst. Auch ein Phänomen ist Nicht-Selbst und ein Dharma ist ebenfalls Nicht-Selbst.
Die Wahrnehmung, dass der Mensch wirklich existiert, ist eine konventionelle Wahrheit.
Das Wissen, dass der Mensch aus den fünf oben genannten Ursachen entsteht und vergänglich, also Nicht-Selbst ist, ist eine Weisheit.
Bedingtes Entstehen {Pratiyasamutpada (skt)-Paticcasamuppada (p)} und Kausalität ist ein wichtiges Entstehungsprinzip im Buddhismus, das im natürlichen Lauf der Dinge existiert. Wenn sich eine Bedingung ändert, ändert sich der ganze Daseins-Prozess.
Es sind die tiefen und komplexen Wahrheiten, die den Ursprung des Menschen und die Entstehung des Universums erklären. Das Funktionieren des menschlichen Lebens und des Universums beruht auf den Ursachen und Wirkungen und das Ende des menschlichen Lebens und des Universums beruht ebenfalls auf diesen Ursachen und Wirkungen. Es gibt also kein Eingreifen eines Schöpfers oder einer Gottheit.
Weil der Buddha diese Wahrheiten durchschaut hatte, wurde er als ein erleuchteter Mensch angesehen.
In diesem Artikel möchte ich mich jedoch nur auf die Kausalität bzw. das bedingte Entstehen beschränken. Warum wird die Kausalität bzw. das bedingte Entstehen als konventionelle Einsicht betrachtet?
Die Wahrnehmung, dass ein Mensch oder das Universum real existiert, ist eine konventionelle Wahrnehmung. Das Wissen, dass ein Mensch oder das Universum durch das bedingte Zusammentreffen der Bedingungen entsteht, ist eine konventionelle Einsicht.
Kurz gesagt: Die Wahrnehmung durch die 6 Sinnesorgane ist die Phänomenologie. Die Wahrnehmung, dass diese Phänomene durch Ursache und Wirkung entstanden sind, ist die Ontologie. Ontologie sind:
- Die Leerheit / Suññatā/ Śūnyatā/
- Die Illusion / Māyā
- Die Soheit / Tathatā
- Die Gleichheit / Samatā
- Das Nirwana / Nibbāna/ Nirvāna
Diese oben genannten absoluten Wahrheiten haben gemeinsame Merkmale:
- - Um diese Wahrheiten zu erkennen, muss man erwacht sein. Diese kognitive Erkenntnis geht über das hinaus, was man in der Schule oder im Alltag lernt.
- Die absoluten Wahrheiten regeln den Kreislauf aller Phänomene.
- Das Ziel eines Kultivierten ist: Diese absoluten Wahrheiten zu erkennen und in das alltägliche Leben umzusetzen, um folgendes zu fördern:
. Gesundheit und Ausgeglichenheit
. Gleichmut und Gelassenheit, damit die bedingungslose Liebe, das Mitgefühl, die
Freude und die Gleichheit sich weiter entwickeln können.
. Intuition, Kreativität, Redegewandheit usw.
Mehr möchte ich in diesem kurzen Artikel nicht erwähnen, da ich noch auf die anderen Bedeutungen des Wortes DHARMA eingehen möchte. Sonst wird der Artikel zu lang sein.
II – Buddhas Lehre
- Rechte Achtsamkeit Sammasati (p)—Samyaksmrti (skt)
- Achtsamkeit und klares Bewusstsein Sati und Sampajañña (Pāli; Skt.: saṃprajanya)
- Aufmerksamkeit
- Nicht an die Erscheinung gebunden, nicht an die Eigenschaft der Erscheinung gebunden.
- Kein Eigenlob machen, keine Kritik an jemandem üben.
- Regel, Annupassana, Samatha, Samadhi, Weisheit.
- Die vierfache Stufe der Achtsamkeit
- Die Vier Edlen Wahrheiten (S: smṛtyupasṭhāna; P: satipaṭṭhāna), der Achtfache Edle Pfad.
- Die „Sieben Faktoren des Erwachens“ S: saptabodhyaṅga
- Die vier Schritte zur Unabhängigkeit des Körpers vom gewöhnlichen oder natürlichen Recht (s: catur-ṛddhipāda, p: catu-iddhipāda)
- Vier rechte Anstrengungen oder vier rechte Bemühungen Sammāppadhana (P),
Samyak-prahāṇa (S)
- Mahàssapura sutra (P) Mahassapurasuttam
- Die sieben nichtermüdeten Schritte im Nikaya Sutra. (s: akilāsitva, akhinna, akheda)
Die Lehre des Buddhas ist:
. Keine absolute Wahrheit, da sie vom Buddha entwickelt wurde.
. Man kann eine von dieser Übungen für seine Praxis auswählen.
. Diese Lehre oder Übungstechniken können mit der Zeit oder je nach
Aufnahmefähigkeit des Schülers angepasst werden. Die absoluten Wahrheiten ändern
sich im Gegensatz dazu nicht. Sie bleiben immer gleich.
III – Die Phänomene
Der Buddha lehrte, dass es insgesamt 18 Phänomene gibt und die sind:
. 6 Sinnesorgane: Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper und Gedanke
. 6 Wahrnehmungen: Form, Geräusche, Geruch, Geschmack, Berührung und Eindruck
. 6 Bewusstsein: Sehen-Bewusstsein {Cakkhu-viāṇa (P), Cakṣur-vijāna (S)}, Hörbewusstsein {Soto-viāṇa (P), Śrotra-vijāna (S)}, Riechbewusstsein, Zungenwahrnehmung Jihvā-vijāna (S), Körperwahrnehmung {Kāya-vijāna (S), Kaya-vināṇa (P)}und Geistiges Bewusstsein {S: manovijñāna; P: manoviññāṇa}.
Diese 18 Wahrnehmungsfaktoren können in 2 Bereiche unterteilt werden:
1- Mentales Objekt: Gedanke und das Objekt des Gedanken ist das Dharma.
2- Materielles Objekt: Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper und Gedanke und seine Gegenstände sind Form, Ton, Geruch, Geschmack, Berührung.
Und die Eigenschaft der 18 Wahrnehmungsfaktoren sind:
. man kann sie durch menschliche Sinnesorgane wahrnehmen und
. Sie sind unbeständig, da sie Phänomenologie sind.
Fazit: Warum hat das Wort DHARMA 3 Bedeutungen?
Weil diese Bedeutungen eng miteinander verbunden sind:
1- Die erste Bedeutung sind die Wahrheiten.
2- Die zweite Bedeutung ist die Buddhas Lehre (Übungstechniken).
3- Die dritte Bedeutung sind die Phänomene.
Wir leben in dieser Welt und treten mit den weltlichen Erscheinungen durch die sechs Sinne in Kontakt. Um die Wahrheiten, die die weltlichen Phänomene beherrschen, erkennen zu können, müssen wir die richtige Übungsmethode als das richtige und angemessene Mittel finden (die zweite Bedeutung). Denn die Wahrheiten haben keine Form (erste Bedeutung), aber sie manifestieren sich in einer Form, nämlich in den weltlichen Phänomenen (dritte Bedeutung). Sie offenbaren sich im Schweigen, ohne Worte, ohne Namen. Wir müssen uns auf die Kultivierungsmethode des Buddhas (die zweite Bedeutung) verlassen, um das Wesen der Phänomene durch die Sinne und die Weisheit zu erkennen. Wenn es also keinen Buddha gäbe, der uns diese Kultivierungsmethode (die zweite Bedeutung von Dharma) lehren würde, dann würden die Phänomene immer nur Phänomene bleiben, und wir würden die Essenz (die erste Bedeutung von Dharma), die in den Phänomenen verborgen ist (die dritte Bedeutung von Dharma), nicht erkennen.
Meister,
Am Anfang wollte ich eigentlich nur kurz das Wort DHARMA zusammenfassen. Ich habe nicht erwartet, dass dieser Artikel so lang wird. Da jedes Thema wichtig ist, jedes Thema ein Tor zum Haus ist, ist es schwierig, vage zu schreiben. Vielleicht muss ich ihn noch einmal komplett umschreiben, bevor ich ihn Ihnen vorstelle. Nach 30 Jahren Kultivierung mit Ihnen besteht mein Vortrag nur aus einem Wort: DHARMA.
Sunyata Buddhistisches Zentrum, den 09- 12- 2024
TN
https://tanhkhong.org/p105a4492/triet-nhu-tieng-hat-giua-troi-bai-59-bai-trinh-thay-cuoi-nam