AUF DER SUCHE NACH DEM EIGENEN KOPF
Der Erzählung nach gab es einen Mann namens Yajnadatta. Eines Tages hat er seinen Kopf nicht im Spiegel sehen können. Er dachte, er habe seinen Kopf verloren, voller Entsetzen rannte er überall hin, um den eigenen Kopf wiederzufinden. Es was ähnliches gibt es auch in der chinesischen Zen-Geschichte: der eine sitzt auf dem Büffel, ohne wahrzunehmen, dass er bereits auf dem Büffel sitzt. Er rannte daher überall hin, um seinen Büffel zu suchen. Im Lotus-Sutra gibt es die Geschichte von einem armen Sohn, der seinen Vater verlassen hat. Der Vater ist ein reicher Mann. Der Sohn führt in der Ferne ein elendes Leben. Als er später zurückkehrt, weiß er jedoch nicht davon, dass der reiche Mann sein eigener Vater ist. Des Weiteren gibt es das Gleichnis vom unbemerkten, kostbaren Juwel, das in die Kleidung gesteckt wurde, jedoch auf Grund vom Nicht-Wissen unbenutzt blieb.
Welche Botschaft sollte damit vermittelt werden? Buddha und die Patriarchen wollten uns daran erinnern, dass jeder die Buddha-Natur und den Buddha-Geist innehat, vollständig und nicht anders wie die von Buddha und den Patriarchen.
Damals sagte Buddha nach der Erleuchtung : "Es ist verwunderlich, dass obwohl jeder über Tugend, Charakter, Umsicht des Tathagatas verfügt, müssen sie dennoch das Rad von Tod und Wiedergeburt erleiden."
Damals, nach mühsam erfolgter Wanderschaft in der Wildnis auf der Suche nach dem Dharma, erwiderten die Zenmeister: "Ihr solltet nach Hause gehen. Ich habe keinen Dharma, um an Euch weiter zu geben."
Meine Freunde, "Dinge die wir tags und nachts anstreben, um zu erlangen", die haben wir bereits selbst, seit der Geburt haben wir sie schon und sie haben uns bislang auch nicht verlassen.
Es ist das Angeborene. Angeboren heißt, dass es bereits seit der Geburt besteht. Seine Natur ist rein und still. Wir können es vorläufig als das Wissen, auch die Natur des Wissens, Buddhita, Buddha-Natur sowie mehrere weitere Namen: reine, makellose Geistigkeit (amala vijnana), das Spiegel-Wissen (ādarśa-jñāna), Wahrheitskörper (dharmakāya) ect... Die Namen sind von Menschen ausgedacht, eigentlich haben sie keinen eigenen Namen wie auch alle Phänomene. Da die keinen eigenen Namen besitzen, sind die so wie sie sind, gänzlich objektiv, haben keine Charakteristik, keine Eigenschaft. Daher lassen sie sich auch nicht beschreiben.
Deswegen, wenn wir versuchen zu beschreiben was wir sehen, hören, schmecken, riechen, tasten, haben wir das reine Wesen bereits verlassen. Über die Zeit vergessen wir die ursprüngliche Wurzel der Naturphänomene, wir geben ihnen verschiedene Benennungen, Eigenschaften und mögen oder hassen, infolgedessen wird der Geist konfus, schwammig. Wenn wir hören "ich liebe dich ewig", sind wir daran fixiert, und dann beklagen wir, trauern, ohne zu erkennen, dass Worte nur Geräusche sind, von Rhythmen begleitet. Zu jeder Zeit kann sich der Klang auflösen, auch der Ton ändert sich, mal hoch mal tief.
Wenn dieses für uns einsichtig ist, wachen wir auf, erkennen, warum wir leiden? Ich bin unglücklich, weil ich dem äußeren Leben hinterherlaufe und immer die Hand ausstrecke, um das Flair des Lebens zu ergreifen, wie Ruhm, Status, Reichtum, Glück und Macht. Wir wissen nicht, dass sie wie Wasserblasen sind, mal blau, mal rot, schillernd, in einem Augenblick können sie dann platzen.
Wenn wir im Einklang leben wollen, haben wir nur eines zu tun, nämlich "nichts zu tun". Ja, nichts tun, und gleich dort werde ich zu meinem eigenen reinen Wesen zurückkehren, liebe Freunde! Nichts zu tun bedeutet, dass wir nicht anfangen, etwas haben zu wollen, oder etwas zu erreichen, oder etwas zu werden, oder zu müssen. Alle Absichten liegen ausserhalb unserem reinen Geist. Der Geist ist voller Weisheit, hat Mitgefühl, Mitliebe, Freude und Gleichmut, hat die Einsicht, alles um uns herum zu deuten, und ist in der Lage, es zu erklären und darzulegen.
Ihr könnt euch vielleicht noch daran erinnern, dass der Patriarch Huineng einst diesen wahren Geist, wie folgt beschreibt:
"Unerwartet ist die Selbst- Natur seit eh und je an sich rein
Unerwartet ist die Selbst- Natur eigentlich unbeweglich,
Unerwartet ist die Selbst- Natur in vollem Besitz,
Unerwartet ist die Selbst- Natur eigentlich weder geboren noch ausgelöscht,
Unerwartet kann die Selbstnatur Myriaden von Dingen entstehen lassen."
Daher braucht man den Staub nicht jeden Tag zu reinigen:
"Früher und heute gibt es eigentlich keinen Gegenstand
Wie kann es staubig sein„
Freunde, betretet euer Haus, euer Zuhause, in diesem Augenblick, tretet still in euer Haus ein. Friedlich, rein, ruhig, klar. Es ist geschafft, die Last des Lebens ist draußen geblieben.
Es gibt eine Tatsache, die wir schon lange nicht erkannt haben, dass es keinen Kultivierungspfad gibt, überhaupt keinen Pfad und kein Tor zum Dharma. Das Tor ist da um einzutreten. Das Dharmator ist das Tor zum Eintreten, um zu lernen, zu verstehen und zu praktizieren vom Dharma. Der Dharma ist die Wahrheit, wie auch alle Phänomene der Welt. Demnach können wir uns zwei verschiedene Dinge vorstellen. Nein, sie sind nicht verschieden. Die Wahrheit wird durch jedes weltliche Phänomen offenbart, und jedes weltliche Phänomen ist die Wahrheit. Das Selbst ist auch die Wahrheit, und die Wahrheit offenbart sich auch durch das Selbst. Das Selbst ist auch die volle Wahrheit. Alle sind gleich: sie sind alle vergänglich, sie sind alle selbstlos, sie sind alle bedingt, sie sind alle leer, sie sind alle wie Illusionen, sie sind alle wie Unbeweglichkeit. Sie sind alle ungeboren, also unsterblich.
Vorhin haben wir behelfsmäßig gesagt "betrete das Haus", aber tatsächlich sind wir schon im Haus. Glaubt ihr es noch nicht? Öffnet eure Augen und schau, ob ihr schon in eigenem Haus seid. Seht ihr die Bäume und Pflanzen draußen gänzlich klar, ruhig und hell? Ist alles ganz still, nichts, nicht mehr ich, kein Zuhause mehr, keine Landschaft, kein Außen, kein Innen...
Eigentlich kann man es gar nicht beschreiben, wenn der Meister Huang Po bis hierher gelesen hat, wird er sicherlich drei Hiebe geben!
Zen-Kloster, 10. Mai 2022
Triet Nhu
Quelle des Artikels (auf Vietnamesisch): https://tanhkhong.org/p1106a3158/triet-nhu-tieng-hat-giua-troi-bai-13-om-dau-di-tim-dau
Übersetzt ins Deutsche von Quang Trí